«Schreibt ihr jetzt ein neues Buch?»
13. April 2015, Philipp Loser
Es lief die 77. Minute, und Breel Embolo hatte eben zum dritten Mal getroffen (was für ein Stürmer), da lieferte eine Push-Nachricht des «Tages-Anzeiger» die definitive Bestätigung: Der Sonntag war nicht nur ein glorioser Tag für den FCB – sondern vor allem für die FDP. Martin Graf von den Grünen abgewählt, die Freisinnige Carmen Walker Späh souverän in der Zürcher Regierung, im Kantonsrat plus 4,4 Prozentpunkte beim Wähleranteil und acht zusätzliche Sitze. Was für ein Sieg!
Auf der Tribüne frotzeln die Freunde – sie haben die gleiche Push-Nachricht erhalten. «Schreibt ihr jetzt ein neues Buch?»
Nein! Ruedi Baumann hat es in seinem Text im Tagi schön beschrieben: «Die Freisinnigen feierten gestern im PricewaterhouseCoopers-Sitz in Oerlikon bei Krabbencocktail und Live-Jazz. FDP-Präsident Beat Walti, auch schon 46, hat in seiner Politkarriere nichts anderes als Niederlagen erlebt. ‚Der heutige Tag ist für mich ein herrliches Erlebnis‘, sagt Walti. Was er nicht sagt: Wahrscheinlich kann er für diesen Sieg ebenso wenig, wie er (und seine Vorgänger) an früheren Debakeln die Schuld trugen.»
Was Walti ebenfalls nicht sagt: Die Freisinnigen machen vorwärts, ja. Aber auf einem ganz anderen Niveau, als sie es noch vor dreissig Jahren taten. Die SVP hat gestern in Zürich ebenfalls gewonnen, 0,4 Prozentpunkte. Sie kommt jetzt auf einen Wähleranteil von 30 Prozent, fast doppelt soviel wie der Freisinn (17 Prozent). Das ist die eigentliche Geschichte dieses Sonntags: die ungebändigte Dominanz der SVP. Nicht nur in Zürich, sondern in der ganzen Schweiz. Vor dreissig Jahren war es noch umgekehrt. Genau darum ist es unser Buch nötig (glauben wir): Um zu verstehen, was an diesem Sonntag in Zürich geschehen ist, braucht es einen Blick zurück.
Links zum Wahlausgang
«Ein Schlüssel zum freisinnigen Erfolg dürfte darin liegen, dass die Partei das Glück hat, mit ihrer Strategie bei den Wählern gar nicht durchzudringen»: Daniel Binswanger im «Magazin» über die Zürcher Wahlen.
«Die Sieger von heute sind allerdings nicht zwingend auch die Sieger der nationalen Wahlen am 18. Oktober»: Michael Schoenenberger in der NZZ über den Freisinn.
«Wir müssen aufpassen, dass wir nicht als Juniorpartner der SVP dargestellt werden»: Franz Steinegger im Interview mit dem «Tages-Anzeiger».
«Ich sehe einen Trend hin zu den grösseren Parteien»: Politologe Andreas Ladner im Interview mit der BaZ.